Die Jugend von heute
Neulich saß ich bei Kaffee und Kuchen mit einer Freundin zusammen und sie ereiferte sich darüber, dass die Jugend von heute nichts mehr tauge. So weit, so gut - nur dass diese Frau selbst noch jugendlich ist ... zumindest wenn man es am Stand der gegenwärtigen demograpphischen Entwicklung misst. Sie ist also nicht 75 (wie man aufgrund ihrer kulturkritischen Klagen annehmen könnte), sie ist nicht mal halb so alt ... ihr reales Alter hinkt ihrem psychologischen Alter also hinterher.
Dass die Jugend von heute nichts tauge, war schon immer so ... und das sagte ich dieser Freundin auch. Mehr noch. Ich stellte ihr ein Bild vor Augen: Es gab schon in der Steinzeit den einen oder anderen alten Sack (das war man damals schon mit etwas über 20), der kopfschüttelnd auf die Halbstarken runterschaute und ausrief: "Was schnitzt ihr denn da an diesen Speeren herum! Ihr Weicheier! Zu meiner Zeit haben wir das Mammut noch mit bloßen Händen -" und so weiter.
Ich möchte daher eine Lanze brechen für diese vielgeschmähte Jugend von heute. Neulich schleppte ich mal wieder einen randvoll gepackten Korb mit Fertiggerichten und Eintopfdosen durch den Supermarkt. Mit dem geübten Auge des Veteranen zahlloser Kassenschlangen sah ich sofort, wo ich am schnellsten vorankommen würde. Es war diese Schlange hier. Die Spitze bildete eine noch nicht alte Dame. Hinter ihr standen zwei sehr Jugendliche, ein Junge und ein Mädchen – und dann also auch ich.
Sie kennen sicherlich die Tücken der kürzesten Schlange an der Supermarktkasse. Hier gilt das Gesetz: Je weniger Leute, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein individuelles Problem das Vorankommen verzögert. Und so war es auch. Es wird Ihnen sicherlich schon aufgefallen sein: Nur der Fusel steht frei zugänglich in den Regalen. Die teueren Markenspirituosen, die so ein Supermarkt zu bieten hat, werden dem unmittelbaren Zugriff des Kunden entzogen. Das läßt Rückschlüsse auf das Menschenbild zu, das in den Verwaltungsetagen der Discounterketten herrscht. Man sieht dort offenbar unsere Moralität nicht gerade im günstigsten Licht.
Aber das nur nebenbei. Die besagte Frau am Kopf meiner Kurzschlange war verwirrt. Sie hielt nämlich die unterbezahlte, ausgebeutete und überarbeitete Kassiererin, die sie da vor sich hatte, für willens und fähig, einen Kunden beim Kauf zu beraten. Also wirklich! Sie war also nicht nur weltfremd, sie hatte auch keine Ahnung von Schnaps. Sie wollte nämlich, so konnte ich hören, einem alten Bekannten einen erlesenen Whiskey oder Wodka oder etwas derartiges schenken, aber sie kenne sich da überhaupt nicht aus und ob ihr denn etwas empfohlen werden könne. Die Kassiererin, von diesem Ansinnen überfordert, wollte sich da natürlich auf nichts festlegen.
Und jetzt schlug die Stunde der beiden Jugendlichen. Obwohl sie in ihrer äußeren Erscheinung nicht die geringste Ähnlichkeit mit Pfadfindern hatten, sahen sie wohl trotzdem ihre Chance gekommen, die gute Tat dieses Tages zu vollbringen. Also berieten sie ambulant und kompetent die Dame. Vor allem der Junge zeigte sich als Kenner der Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Formen hochprozentiger Getränke und gab gern seine fachkundigen Urteile über die Qualität verschiedener Wodkasorten ab.
Auch ich begann, mir das Angebot von Flaschen hinter der Kasse genauer anzusehen. Und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich, dass es einen Wodka namens Jelzin gibt. Selten war ein Name für einen Schnaps treffender vergeben worden. Von der Existenz eines Wodka Gorbatschow hatte ich schon durch die TV-Werbung erfahren, aber es war mir nie gelungen, diesen Staatsmann mit diesem Gebräu in Verbindung zu bringen. Ich begann darüber nachzudenken, welche Schäden wohl der Genuss einer Flasche Gorbatschow beim Trinkenden anrichten könne. Wahrscheinlich einen unaufhaltsamen Zusammenbruch und den Zerfall des Gesamtorganismus in autonome, aber despotisch regierte Teilkörperteile. Auch von der Wirkung eines hypothetischen Wodkas namens Putin hatte ich eine klare Vorstellung. Mit einem ehemaligen KGB-Mann als Namensgeber, würde jeder Schluck dieses Getränks wie ein Faustschlag oder Stromstoß wirken. Servieren Sie ihn den Gästen und Sie werden unerwartete Geständnisse zu hören bekommen.
Ich bin nicht allzu gut, wenn es um das Schätzen von Lebensjahren geht. Aber als ich mir den Jungen und das Mädchen näher ansah, war selbst für mich nicht zu übersehen, dass sie beide noch deutlich unter 18 waren und folglich noch gar keine Ahnung von dem haben durften, wovon sie da so fachkundig sprachen. Ja, so ist sie, die Jugend von heute: Hoffnungslos versoffen, aber dabei doch hilfsbereit und versiert in allen Belangen des praktischen Lebens. Das läßt doch hoffen!
Diese Einsicht beschäftigte mich noch, als ich den Supermarkt verließ und an einer Bushaltestelle vorbeikam. Breitbeinig tigerten hier angeberisch frisierte Jünglinge herum und spuckten hin und wieder gelangweilt auf den Boden. Automatisch starrte ich nach unten, bevor ich den nächsten Schritt wagte, denn ich wollte natürlich nicht in eine dieser großzügig verteilten Speichelproben treten.
Wer sich über die Schlechtigkeit der Jugend von heute ereifert, tut dies meist aufgrund der Tatsache, dass die Jugend von heute in der Zukunft einmal die Generation der Erwachsenen stellen wird. Und eben diese Zukunft scheint düster zu sein, wenn das künftige Führungspersonal der Menschheit sich aus Individuen zusammensetzt, die nicht einmal ihre Körpersekrete bei sich behalten können. Aber ich sehe das nicht so pessimistisch, denn die kleine Begebenheit eben im Supermarkt hat mir Zuversicht gegeben. Und selbst aus diesen gedankenlos vor sich hin rotzenden Halbstarken können noch nützliche Glieder der Gesellschaft werden. Stellen Sie sich einmal vor, dass der Klimawandel in wenigen Jahren weite Teile unseres Landes in eine Art von Sahara verwandeln wird. Dann nämlich werden wir auf solche jungen Männer angewiesen sein, die es gelernt haben, gelangweilt an Ort und Stelle zu verharren und dem Boden zu ihren Füßen Flüssigkeit zuzuführen. Die Landwirtschaft (und damit letztlich wir alle) werden ihnen dann zu Dank verpflichtet sein. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal versucht sind, so einen Rotzlöffel zu maßregeln.
Dass die Jugend von heute nichts tauge, war schon immer so ... und das sagte ich dieser Freundin auch. Mehr noch. Ich stellte ihr ein Bild vor Augen: Es gab schon in der Steinzeit den einen oder anderen alten Sack (das war man damals schon mit etwas über 20), der kopfschüttelnd auf die Halbstarken runterschaute und ausrief: "Was schnitzt ihr denn da an diesen Speeren herum! Ihr Weicheier! Zu meiner Zeit haben wir das Mammut noch mit bloßen Händen -" und so weiter.
Ich möchte daher eine Lanze brechen für diese vielgeschmähte Jugend von heute. Neulich schleppte ich mal wieder einen randvoll gepackten Korb mit Fertiggerichten und Eintopfdosen durch den Supermarkt. Mit dem geübten Auge des Veteranen zahlloser Kassenschlangen sah ich sofort, wo ich am schnellsten vorankommen würde. Es war diese Schlange hier. Die Spitze bildete eine noch nicht alte Dame. Hinter ihr standen zwei sehr Jugendliche, ein Junge und ein Mädchen – und dann also auch ich.
Sie kennen sicherlich die Tücken der kürzesten Schlange an der Supermarktkasse. Hier gilt das Gesetz: Je weniger Leute, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein individuelles Problem das Vorankommen verzögert. Und so war es auch. Es wird Ihnen sicherlich schon aufgefallen sein: Nur der Fusel steht frei zugänglich in den Regalen. Die teueren Markenspirituosen, die so ein Supermarkt zu bieten hat, werden dem unmittelbaren Zugriff des Kunden entzogen. Das läßt Rückschlüsse auf das Menschenbild zu, das in den Verwaltungsetagen der Discounterketten herrscht. Man sieht dort offenbar unsere Moralität nicht gerade im günstigsten Licht.
Aber das nur nebenbei. Die besagte Frau am Kopf meiner Kurzschlange war verwirrt. Sie hielt nämlich die unterbezahlte, ausgebeutete und überarbeitete Kassiererin, die sie da vor sich hatte, für willens und fähig, einen Kunden beim Kauf zu beraten. Also wirklich! Sie war also nicht nur weltfremd, sie hatte auch keine Ahnung von Schnaps. Sie wollte nämlich, so konnte ich hören, einem alten Bekannten einen erlesenen Whiskey oder Wodka oder etwas derartiges schenken, aber sie kenne sich da überhaupt nicht aus und ob ihr denn etwas empfohlen werden könne. Die Kassiererin, von diesem Ansinnen überfordert, wollte sich da natürlich auf nichts festlegen.
Und jetzt schlug die Stunde der beiden Jugendlichen. Obwohl sie in ihrer äußeren Erscheinung nicht die geringste Ähnlichkeit mit Pfadfindern hatten, sahen sie wohl trotzdem ihre Chance gekommen, die gute Tat dieses Tages zu vollbringen. Also berieten sie ambulant und kompetent die Dame. Vor allem der Junge zeigte sich als Kenner der Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Formen hochprozentiger Getränke und gab gern seine fachkundigen Urteile über die Qualität verschiedener Wodkasorten ab.
Auch ich begann, mir das Angebot von Flaschen hinter der Kasse genauer anzusehen. Und zum ersten Mal in meinem Leben sah ich, dass es einen Wodka namens Jelzin gibt. Selten war ein Name für einen Schnaps treffender vergeben worden. Von der Existenz eines Wodka Gorbatschow hatte ich schon durch die TV-Werbung erfahren, aber es war mir nie gelungen, diesen Staatsmann mit diesem Gebräu in Verbindung zu bringen. Ich begann darüber nachzudenken, welche Schäden wohl der Genuss einer Flasche Gorbatschow beim Trinkenden anrichten könne. Wahrscheinlich einen unaufhaltsamen Zusammenbruch und den Zerfall des Gesamtorganismus in autonome, aber despotisch regierte Teilkörperteile. Auch von der Wirkung eines hypothetischen Wodkas namens Putin hatte ich eine klare Vorstellung. Mit einem ehemaligen KGB-Mann als Namensgeber, würde jeder Schluck dieses Getränks wie ein Faustschlag oder Stromstoß wirken. Servieren Sie ihn den Gästen und Sie werden unerwartete Geständnisse zu hören bekommen.
Ich bin nicht allzu gut, wenn es um das Schätzen von Lebensjahren geht. Aber als ich mir den Jungen und das Mädchen näher ansah, war selbst für mich nicht zu übersehen, dass sie beide noch deutlich unter 18 waren und folglich noch gar keine Ahnung von dem haben durften, wovon sie da so fachkundig sprachen. Ja, so ist sie, die Jugend von heute: Hoffnungslos versoffen, aber dabei doch hilfsbereit und versiert in allen Belangen des praktischen Lebens. Das läßt doch hoffen!
Diese Einsicht beschäftigte mich noch, als ich den Supermarkt verließ und an einer Bushaltestelle vorbeikam. Breitbeinig tigerten hier angeberisch frisierte Jünglinge herum und spuckten hin und wieder gelangweilt auf den Boden. Automatisch starrte ich nach unten, bevor ich den nächsten Schritt wagte, denn ich wollte natürlich nicht in eine dieser großzügig verteilten Speichelproben treten.
Wer sich über die Schlechtigkeit der Jugend von heute ereifert, tut dies meist aufgrund der Tatsache, dass die Jugend von heute in der Zukunft einmal die Generation der Erwachsenen stellen wird. Und eben diese Zukunft scheint düster zu sein, wenn das künftige Führungspersonal der Menschheit sich aus Individuen zusammensetzt, die nicht einmal ihre Körpersekrete bei sich behalten können. Aber ich sehe das nicht so pessimistisch, denn die kleine Begebenheit eben im Supermarkt hat mir Zuversicht gegeben. Und selbst aus diesen gedankenlos vor sich hin rotzenden Halbstarken können noch nützliche Glieder der Gesellschaft werden. Stellen Sie sich einmal vor, dass der Klimawandel in wenigen Jahren weite Teile unseres Landes in eine Art von Sahara verwandeln wird. Dann nämlich werden wir auf solche jungen Männer angewiesen sein, die es gelernt haben, gelangweilt an Ort und Stelle zu verharren und dem Boden zu ihren Füßen Flüssigkeit zuzuführen. Die Landwirtschaft (und damit letztlich wir alle) werden ihnen dann zu Dank verpflichtet sein. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal versucht sind, so einen Rotzlöffel zu maßregeln.
PeterMiese - 27. Jun, 11:15